INTELLIGENZAKTION

Deutschland hat mit den Vorbereitungen zum Krieg schon ab dem 11. April 1939 angefangen, als der Kanzler des III. Reiches Adolf Hitler, die Anordnung eines Plans für den Überfall auf Polen, unter dem Namen „Fall Weiss“, herausgegeben hat.

Unabhängig von den Militärplänen, hat man damit angefangen, komplexe Vorbereitungen, zum Ausrotten und Vernichten der polnischen Bildungsschicht der Gesellschaft in Rahmen der Intelligenzaktion zu treffen, die auch als Flurbereinigung genannt war. „Nur eine solche Nation, deren Führungsschicht vernichtet wird, kann man zur Sklaverei bringen“ – die Aussage des Führers Adolf Hitler schildert am besten die Ziele der Aktion, welchen Repressionen ab der ersten Tagen des Krieges, die polnische Intelligenz, die kulturelle u. politische Elite sowie der Klerus ausgesetzt waren. Der Aktion waren auch Grundbesitzer und Unternehmer ausgesetzt, deren Besitztum man in Beschlag genommen hat, welches später von den Deutschen übernommen worden war.

Die erste Etappe der Aktion beinhaltete die Erstellung von Verbotslisten, bei denen das SS-Hauptamt Volksdeutsche Mittelstelle, Auswärtiges Amt und Reichsministerium des Innern beteiligt gewesen waren. Schon in Mai 1939 hat das Hauptamt des Sicherheitsdienstes in Berlin den Befehlshaber des Sicherheitsdienstes des Oberabschnitt Süd-Ost in Breslau daran erinnert, in der Zeit bis zum 8.06.1939 eine Liste der Personen zu schicken, die voraussichtlich in Polen festgenommen werden sollten. Die Listen der Personen, für die sich die Deutschen interessiert haben, sind dank der aktiven Mitarbeit der Mitglieder der deutschen Minderheit auf den Gebieten des ehemaligen Preußen, welche zu diesem Zeitpunkt nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit zu Polen gehörten, endstanden. Deshalb waren die Listen sehr genau. Auf den Listen sind u.a. Beamte, Priester, Lehrer, Ärzte und Rechtsanwälte gelandet. Von besonderem Interesse sind für die Vorbereiter der Listen die ehemaligen Plebiszit Aktivisten, schlesische Aufständere, Pfadfinder, soziale Aktivisten und Politiker gewesen. Man hat sorgfältig alle dokumentierenden Publikationen über die Unabhängigkeitskämpfe, polnische Agitation aus den Zeiten des Plebiszits sowie schlesische Aufstände studiert.

Von den ersten Momenten des Krieges haben die Mitglieder des Freikorps Ebbinghaus ihre Ernte gesammelt. Hinter den deutschen Truppen gingen s.g. Einsatzgruppen. Es waren von dem Reichssicherheitshauptamt gebildete operative Gruppen der Sicherheitspolizei und des Sicherheits dienstes, die als Ziel die Vernichtung aller feindlichen Elemente hinter den kämpfenden Truppen gehabt haben. Da sie mit den geheimen Listen ausgestattet waren, haben sie sofort mit den Säuberungen angefangen.

Nach Ende der militärischen Operationen haben die Deutschen mit der nächsten Periode der Intelligenzaktion angefangen. Maria Wardzyńska schreibt in ihrer Arbeit: „Im Oktober, November und Dezember 1939 sind Aktivisten, die sich für das Polentum in Schlesien eingesetzt haben, inhaftiert worden. Es wurden überwiegend Lehrer und Priester, die in Schulen gelehrt haben, verhaftet. Mit den Aktivisten ist man anders umgegangen. Sie wurden unter Zwang direkt in die Konzentrationslager Mauthausen-Gusen, Dachau, Oranienburg und Sachsenhausen geschickt. Die Mehrheit, der im Jahre 1939 dorthin Deportierten, ist dort umgekommen. Nur selten hat es jemand überlebt“.

Schon am 10. November 1939 hat der erste Chef der Gestapo, SS-Obersturmbannführer Emmanuel Schäfer, den Dienstauftrag Nr. 9 mit folgendem Inhalt erteilt: „Um den Leiter der Abteilung IIC zu entlasten, befehle ich ab sofort dem Leutnant der SS des Kriminalkommissar Eisenschmiede, folgende Aufgaben zu übernehmen: (…) 2. Eine Liste der polnischen Intelligenz zu formulieren, 3. Ausarbeitung der Haftbefehle für Polen (…). Höchstwahrscheinlich hat man in dieser Zeit die Listen aktualisiert, die dazu gedient haben, um das Sonderfahndungsbuch Polen zu ergänzen, das von dem Reichspolizeikriminalamt vorbereitet war. Das Buch hat 8800 Einträge von Personen beinhaltet, davon 1200 Personen aus Oberschlesien. Neben dem Sonderfahndungsbuch sind es zusätzliche Listen über einzelne Städte. Nach dem Krieg hat man so eine Liste in Kochłowice (heute ein Stadtteil von Ruda Slaska) gefunden. Sie wurde am 21. November 1939 erstellt und es hat eine „Spezifikation besonders feindlicher polnischer Elemente“ beinhaltet. Es waren u.a.: Priester, ehem. Bürgermeister, Zecheninspektoren, Apotheker, Drogisten, Lehrer, Kaufleute, Stahlwerkmeister und Polizeibeamte. Eine Liste, die am 23. Februar 1940 in Karbowa (heute ein Stadtteil von Katowice) erstellt worden war, beinhaltete präzise Informationen über dort ansässige Familien wie Herkunft und Einstellung zu Deutschland. Auf der Liste waren neben „Deutschfeindlich fanatscher Kernpole” oder „im höchster Grade deutsch-feindlich“ auch „schuldlose Deutsche“ – „einwandfreie Deutsche“ bis „deutschfreundlich“ angegeben.

Die Anordnung des RSHA–Reichssicherheitshauptamt IV-D2-480/40 vom 2. April 1940 stellte die Grundlage für die Durchführung der nächsten Etappe der Intelligenzaktion dar.

Auf Grund dieser Anordnung haben die Sicherheitsdienste die s.g. Schutzhaft angewendet. Laut Anordnung des Ministeriums des Inneren aus dem Jahr 1938, stellte die Schutzhaft ein Zwangsmittel der geheimen Staatspolizei zur Abwehr aller Feinde der Nation und des Staates dar. Sie wurde angewendet an Personen, die durch ihr Verhalten den Besitz und die Sicherheit der Nation und des Staates bedrohten. Die Gestapo hatte das Recht die Anordnung über Verhaftung und Entlassen aus der Haft durch die zuständige Staatspolizeistelle auszusprechen und den Schutzhäftling in ein Konzentrationslager einzuweisen.

Massenverhaftungen in dem Regierungsbezirk Katowice haben in der Zeit von 5. April bis zum 3-5. Mai 1940 stattgefunden. Die Inhaftierten Personen waren ursprünglich in Untersuchungshaftanstalten, Gestapo Dienststellen und in den Übergangslagern in Sosnowiec und Cieszyn festgehalten. Dort sind sie vernommen worden, man hat sie dort gequellt und geschlagen. Aus diesen Orten würden sie mit der Bahn nach Dachau transportiert. Von dort sind viele von den Inhaftierten ins Filiallager in Mau­ thau­ sen-Gu­ sen abtransportiert worden, was am 25. Mai 1940 für die polnische Intelligenz geschaffenen wurden. Die Mehrheit von den Repressalien ausgelieferten Personen waren Männer. In der Kartei der Gestapo, wo alle Einzelheiten der Personen, die in Rahmen der Aktion notiert sind, tauchen Informationen über eine Lehrerin aus Bedzin auf, die man zum KZ in Ravensbrück transportierte.

Standardgemäß wurden die Familien der Inhaftierten nicht informiert über den Verbleib ihren Angehörigen. Über das Schicksal der Angehörigen haben sie von der privaten Korrespondenz aus dem KZ Dachau bzw. Mauthausen-Gusen erfahren. Sie haben verschiedene Versuche zur Entlassung der Angehörigen aus der Haft unternommen. Man hat Rechtsanwälte beauftragt, Bekanntschaften und Kontakte verwendet, Bestechungsgelder wurden bezahlt, Petitionen wurden an die deutschen Behörden gerichtet. Manchmal haben diese Methoden ihre Früchte gebracht und nach ein paar Monaten kamen ausgehungerte und durch entkräftende Arbeit zerstörte Väter und Ehemänner zurück nach Hause. Sie kamen in schlimmem gesundheitlichem Zustand zurück. Die entlassenen Häftlinge mussten sich regelmäßig bei der Gestapo bzw. Polizei melden, und meistens sind sie zur Zwangsarbeit verpflichtet worden. Die Familien der Inhaftierten sind ebenso verschiedenen Repressalien ausgesetzt worden. Oft sind sie aus ihren Häusern und Wohnungen gejagt worden und die Arbeitsfähigen hat man zur Zwangsarbeit verschickt.

Der Aufenthalt im Konzentrationslager war eine Form des Exterminierens gewesen, was mit der Sklavenarbeit verbunden war. Wie es Karl Fritzsch – der La­ gerführer im KZ Ausschwitz am 14.06.1940 während des Eintreffens der ersten Transporte der polnischen politischen Häftlinge aus Tarnów bemerkte: „Ihr seid hier nicht zur Kur, sondern zum deutschen Konzentrationslager gekommen. Hier gibt es nur einen Ausgang, durch den Kamin. Andere Ausgänge gibt es nicht. Wenn es jemanden nicht gefällt, kann er direkt zum Zaun gehen. Wenn es in dem Transport Juden gibt, da haben sie das Anrecht auf zwei Wochen Leben, die Priester einen Monat und der Rest drei Monate“.