Jan Sikora

Lehrer



Er ist am 18.07.1910 in Cieszyn geboren. Nach der Volkschule und dem Gymnasium hat er sich in dem staatlichen Lehrerseminar für Männer in Cieszyn-Bobrek weitergebildet. Die Lehre hat er im Jahr 1929 absolviert. Danach hat er in den Jahren 1929-1933 an der Universität für Lebenswissenschaften in Cieszyn studiert. In dieser Zeit hat er als Lehrer in der Volksschule gearbeitet. Er war auch als Orgelspieler in der Jesu Kirche in Cieszyn tätig.

Im Jahr 1933 hat er Helena Gajdzica geheiratet. Ein Jahr später ist seine erste Tochter Aleksandra zur Welt gekommen. In dieser Zeit hat er in der Volksschule Nummer 2 in Ustron gearbeitet, wo er Natur, Geographie und Gesang gelehrt hat. Er hat auch Unterricht in der frühen Schulbildung gegeben. Meine Eltern haben damals auf dem Hof des Großvaters mütterlicherseits gewohnt. Unter der Adresse Ustron 1, die jetzt die Daszynski Strasse 74. ist, haben zusammen mit uns mein Opa und die Schwester meiner Mutter, die Ehefrau des Architekten Pawel Rakowski geworden ist, gewohnt – erinnert sich Tochter Aleksandra. Schon während des Studiums war Jan Sikora Mitglied des Verbandes der polnischen evangelischen Jugend. Im Jahr 1935 ist er der Vorsitzende des Kreises des Verbandes in Ustron geworden und in den Jahren 1937-1938 hat er die Funktion des Sekretärs des Hauptvorstandes des o.g. Verbandes ausgeübt. Jan Sikora hat den Chor der evangelischen Gemeinde in Ustron geführt, wo er auch als Dirigent agierte. Seine gemeinnützigen Aktivitäten hat er in dem Verband der polnischen Pfadfinder, im polnischen Verband des Westens und in „Strzelec“ ausgeführt. Im Jahr 1937 hat er ein Ensemble aus Ustron für die Teilnahme bei der Veranstaltung der „Gebirge Woche“ in Wisla vorbereitet. Ein Jahr später ist er glücklicher Vater seiner zweiter Tochter Krystyna geworden.

Wegen der Furcht vor den Deutschen hat er im Moment des Kriegsausbruchs beschlossen nach Osten zu flüchten. Der Bruder seiner Mutter war Ingenieur und er hat bei der Raffinerie in Drohobycz gearbeitet – er hat dort eine wichtige Position gehabt, er war, glaube ich, sogar Direktor des Werkes. Wiederum der Schwager meiner Mutter, der Architekt Pawel Rozniewski, der mit uns gewohnt hat, war ein gut situierter Mann und besaß ein Auto. Wir haben also die Möglichkeit gehabt zu reisen. Meine Eltern, die Schwester meiner Mutter mit ihrem Ehemann und ich zusammen mit meiner einjähriger Schwester Krystyna haben nicht ohne Schwierigkeiten Drohobycz erreicht. Die Reise war ein Alptraum. Menschenmassen, die vor den Deutschen geflüchtet waren, Benzinmangel und Luftangriffe deutscher Flugzeuge. In Drohobycz haben meine Eltern überlegt, ob sie weiter nach Rumänien oder Ungarn flüchten sollen, oder doch nach Ustron zurückkehren, wo unser Großvater geblieben ist. Sie haben sich um ihn gesorgt, da er schon über siebzig Jahre alt gewesen ist. Letztendlich sind wir mit größter Mühe zurück nach Ustron gekommen. Es war schon spät am Abend, und am nächsten Tag um 4 Uhr morgens sind die Deutschen erschienen, um das Auto zu beschlagnehmen. Nach dem Verlust der Beschäftigung in der Schule hat Jan Sikora von der Arbeit auf dem Hof gelebt. In dem Haus in Ustron wohnten auch seine Mutter und Schwester.

Am frühen Morgen des 21.04.1940 sind Funktionäre der Gestapo zu uns nach Hause gekommen. Sie haben meinen Vater und Pawel Rozniewski mitgenommen. Ich kann mich erinnern, dass sie eine genaue Durchsuchung im ganzen Haus durchgeführt haben. Später haben sie polnische Bücher, verschiedene Dokumente und Notenhefte von meinem Vater, welche sie bei der Durchsuchung fanden, auf dem Hof verbrannt. Am gleichen Tag haben die Deutschen viele weitere Personen festgenommen. U.a. den Onkel von Jan Sikora, Wladyslaw Pawlas. Er war Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Wisła. Die festgenommenen Personen haben sie zum Überganslager in der Möbelfabrik „Thonett Mundus“ in Cieszyn gebracht, von wo aus sie später nach Dachau gebracht worden sind. Einige Zeit später ist eine Postkarte von Vater gekommen. Zu diesem Zeitpunkt ist er schon im Konzentrationslager Mauthausen-Gusen gewesen. Auf der Postkarte war eine Information, dass man ihm keine Pakete senden darf. Deshalb hat ihm Mama stets Geldüberweisungen gesendet. Jedes Mal hat sie seine Lagernummer 4524 und die Block Nummer 15 angegeben. Über ein Jahr nachdem die Deutschen meinen Vater mitgenommen haben, sind wir zusammen mit meiner Mutter und meiner Schwester nach Cieszyn gefahren um ein Foto von uns zu machen, welches wir ihm dann zum Lager gesendet haben. Ich erinnere mich, dass ich ein paar Worte auf der Rückseite des Fotos für Papa auf Deutsch geschrieben haben. Kurze Zeit darauf kam ein deutscher Polizist zu uns nach Hause und hat meine Mutter darüber in Kenntnis gesetzt hat, dass mein Vater am 18.09.1941 im Lager gestorben ist. Erst danach kam unser Paket an Papa zu uns nach Hause zurück.